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Aussetzung der Insolvenzantragspflicht
Das Gesetz zur vorübergehenden Aussetzung der Insolvenzantragspflicht und zur Begrenzung der Organhaftung bei einer durch die Covid-19-Pandemie bedingten Insolvenz (CoVInsAG) ist auf aktuell drohende Insolvenzreife ausgerichtet. Deshalb besteht kein Anspruch, wenn bereits bestehende und fortwirkende Maßnahmen aufgehoben werden (FG Kassel, Entscheidung v. 8.6.2020 – 12 V 643/20, Pressemitteilung v. 2.7.2020).
Fallbeispiel:
Eine GbR betrieb einen Gastronomiebetrieb in einem gepachteten Objekt. Sie stellte beim FA einen Antrag auf Einstellung von Vollstreckungsmaßnahmen und gleichzeitig einen Insolvenzantrag. Sie begründet diesen damit, dass ihr Betrieb von der Covid-19-Pandemie betroffen sei und das Ziel des Insolvenzverfahrens sei, den Betrieb zu retten. Auf Antrag des FA war bereits Ende 2019 ein Beschluss des Insolvenzgerichts ergangen, in dem die vorläufige Verwaltung des Vermögens der GbR angeordnet wurde. Außerdem wurde ein vorläufiger Insolvenzverwalter zur Umsetzung bestellt. Im März 2020 stellte die GbR den Antrag auf Einstellung der bereits erfolgten Vollstreckungsmaßnahmen und begründete dies mit dem Schreiben des BMF vom 19.3.2020 (IV A 3 – S 0336/19/10007 :002, BStBl 2020 I S. 262 , NWB TAAAH-44901). In diesem Schreiben regelt das BMF steuerliche Maßnahmen zur Bewältigung der Auswirkungen der Covid-19-Pandemie.
Die Gastronomie der GbR habe wegen der Pandemie schließen müssen. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgte im Mai 2020. Den Antrag auf Einstellung der Vollstreckungsmaßnahmen lehnte das FA ab, und im Anschluss stellte die GbR einen Antrag auf einstweilige Anordnung beim FG. Keine Aussetzung, wenn Insolvenzreife nicht auf Folgen der Pandemie beruht.
Die Entscheidung:
Der Antrag auf Aussetzung der Vollstreckung wurde abgelehnt. Das FG Kassel vertritt, dass der § 1 Satz 2 CoVInsAG und die darin geregelte Aussetzung der Insolvenzantragspflicht nicht gelte, wenn die Insolvenzreife nicht auf den Folgen der Covid-19-Pandemie beruhe. Ebenso sei auch das Ziel des BMF-Schreibens vom 19.3.2020, nur aktuell drohende Vollstreckungsmaßnahmen abzuwenden. Die Aufhebung von bereits bestehenden und fortwirkenden Vollstreckungsmaßnahmen sei vom BMF-Schreiben hingegen nicht erfasst. Der Beschluss ist rechtskräftig.
Kontenpfändung kann unbillig sein (FG Düsseldorf)
Aufgrund der Folgen der Covid-19-Pandemie gewährt die Finanzverwaltung durch Regelungen im BMF-Schreiben vom 19.3.2020 Erleichterungen und nimmt u. a. unter bestimmten Voraussetzungen bis Ende 2020 keine Vollstreckungen vor. Aufgrund von Steuerrückständen, die vorwiegend aus Einkünften aus Vermietung und Verpachtung bestanden, pfändete das FA im März 2020 bei einem Vermieter die Bankkonten. Der Vermieter beantragte anschließend Vollstreckungsschutz und bezog sich zur Begründung auf das BMF-Schreiben. Zahlreiche Mieter hätten aufgrund der Covid-19-Pandemie und dem Gesetz zur Abmilderung der Folgen der Covid-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht ihre Mietzahlungen seit April 2020 eingestellt.
Das FA sah allerdings keine wirtschaftliche Beeinträchtigung des Vermieters durch die Covid-19-Pandemie und gewährte den Vollstreckungsschutz nicht. Die Fälligkeit der Steuerforderungen sei bereits vor der Pandemie eingetreten. Bei Erlass der Pfändungs- und Einziehungsverfügung am 19.3.2020 sei die Vollstreckungsmaßnahme rechtmäßig gewesen. Außerdem sei eine Berufung auf das am gleichen Tag datierte BMF-Schreiben nicht möglich, da darin eine Aufhebung von bereits vorgenommenen Vollstreckungsmaßnahmen nicht geregelt sei.
Anspruch auf Beendigung der Vollstreckung bis Ende 2020
Der vorläufigen Aufhebung der Kontenpfändung gab das FG Düsseldorf statt (Beschluss v. 29.5.2020 – 9 V 754/20 AE (KV), Newsletter FG Düsseldorf v. 2.7.2020 ). Aufgrund der Verwaltungsanweisung sei im Einzelfall eine zuvor vorgenommene Kontenpfändung bis zum Jahresende aufzuheben.
Eine Vollstreckung in die Bankguthaben sei derzeit unbillig. Durch die Mietausfälle und die Kontenpfändung liege eine doppelte Liquiditätseinbuße vor. Dies sei aufgrund des Gleichbehandlungsgrundsatzes nicht hinnehmbar. Das Ermessen des FA sei durch das BMF-Schreiben eingeschränkt, so dass auch die Aufhebung bereits erfolgter Vollstreckungsmaßnahmen angebracht sein kann. Das Finanzgericht hat wegen grundsätzlicher Bedeutung die Beschwerde zugelassen.
Quelle und Fundstelle: Bundesministerium für Finanzen / NWB Verlag Online